Die Bedeutung des Berufs und die Frage nach dem Sinn

Mark Wallert wurde im April 2000 auf den Philippinen entführt, gemeinsam mit seinen Eltern. Dabei war er 140 Tage in Geiselhaft, welche man sich klischeehaft vorstellen kann: Mit Maschinengewehren bewaffneten Männern, die Angst einflößen sollen. Mark Wallert hat tagtäglich um sein Leben gebangt, seine Mutter wäre beinahe gestorben. Er kam als letzte der Geiseln frei gegen eine hohe Summe Lösegeld. Das Interessante an dieser Geschichte: Er hat kein Trauma davon getragen.

Jahre später arbeitet Wallert in einem Bürojob, in dem es darum geht, mit Zahlen zu hantieren – und erleidet dabei einen Bunrout.

Hierbei stellt sich die Frage: Wie kann ein Mann wie Wallert, der so resilient eine Geiselnahme ohne traumatische Folgeschäden überstanden hat, in einem scheinbar sicheren Bürojob einen Burnout bekommen?

Die Geschichte von Mark Gallert zeigt, wie wichtig Sinn für uns Menschen ist. Wallert hat während der Festnahme anderen Menschen geholfen. Damit hatte er eine Funktion innerhalb der Gemeinschaft, die ihm eine positive Bedeutung verliehen hat. Er wusste, wofür er da ist und wofür er gebraucht wird, anders als in dem späteren Managerjob, aus dem heraus ein Sinnmangel entstand.

Von Viktor Frankl, dem Begründer der Logotherapie, stammt die Aussage:  „Jede Lebenssituation ist zu bewältigen, solange die Menschen ihr noch irgendeinen Sinn abbringen können“. Das sinnvolle Tun brauchen wir demnach wie die Luft zum Atmen.

Deswegen haben viele ältere Menschen, wenn sie nicht mehr im Berufsleben sind und zu wenig Aufgaben haben, das Gefühl: „Ich werde nicht mehr gebraucht. Mein Leben hat keinen Sinn mehr“. Fortführende Einordnungen zu diesem Thema findet ihr in der Podcastfolge 35 „So bin ich eben – Werte als Orientierung für ein zufriedenes Leben“ mit der Psychologin Stefanie Stahl und dem Autor Lukas Klaschinski. Aus dieser habe ich auch die Inspiration für die Einleitung dieses Beitrags.

Der oben zitierte Neurologe Viktor Frankl war Jude und überlebte Theresienstadt, Auschwitz und zuletzt Türkheim. Seine gesamte Familie wurde von den Nationalsozialisten ermordet. Statt anzuklagen, predigte er Versöhnung. Sein autobiografisches Werk „…trotzdem ja zum Leben sagen" wurde weltweit über neun Millionen mal verkauft. Frankl und andere schafften es, selbst im unvorstellbar grauenhaften Umfeld des Konzentrationslagers einen Sinn zu finden.

Die Erkenntnisse des Neurologen lassen sich auch auf objektiv weniger dramatische Lebenssituationen anwenden, wobei Sinn universal sowie subjektiv eine enorm wichtige Rolle einnimmt.

Richard Leider spricht in seinem TedTalk über „The Power of Purpose“ und fragt die Zuhörenden dabei:

„Du liebst, was du tust – von 1 bis 10.

1 bedeutet nein, 10 ja“.

Was würdest Du antworten?

Egal was wir tun, egal ob ehrenamtlich, in einer Gemeinschaft, bezahlt, oder in anderen Tätigkeitsform, gibt uns im besten Fall einen Sinn. Wenn dem nicht so ist; wir die Frage oben mit einer Zahl unter 5 beantworten, sind wir mit hoher Wahrscheinlichkeit unglücklich und sehen keinen Grund, morgens aufzustehen. Erschreckend ist die Zahl solcher Menschen recht hoch. Statistisch gesehen hat jeder dritte Motivationsprobleme, wenn es darum geht, einen neuen Tag zu starten. Eine dramatische Konsequenz davon sind steigende Burnoutzahlen.

Ich persönlich kann Richard Leiders Frage zum Glück mit einer 9 beantworten. Mein Alltag ist zu einem großen Teil selbstbestimmt, ich entschiede selbst über die Zu- oder Absage zu einem Projekt. Diese Entscheidung beruht oftmals auf Bauchgefühl und der mir aktuell und vorausschauend verfügbaren Zeit, was zwangsläufig zu reflektiven Iterationen führt. Aus diesem Grund habe ich mich u. A. auch, trotz Anfrage, gegen das Unterschreiben bei einer Agentur entschieden. So lernt man sich und seine Bedürfnisse als Selbstständige Person automatisch besser kennen. Wenn ich an einem Tag konzentriert an einem Projekt gearbeitet und mich dabei verhältnismäßig wenig bewegt habe, gönne ich meinem Körper am nächsten Tag bestenfalls eine Einheit Yoga, Schwimmen o. Ä. Habe ich eigene Ideen, dann kann ich Projekte initiieren, auf mein Netzwerk zurückgreifen und Konzepte gemeinsam zum Leben bringen. Ein höchst anstrengender, aber auch zutiefst befriedigender Prozess, der das eigene Tun spiegelt. Gerade dass manche Samen länger brauchen, um zu reifen, ist so denke ich in vielen Bereichen Teil des Weges. Wir alle kennen schließlich die Studien der Lotterie-Gewinner, die wenige Monate später sogar unterdurchschnittlich glücklich sind. Das hängt damit zusammen, dass Menschen gerne ihres eigen Glückes Schmied sind, zumindest ist das psychologisch am nachhaltigsten für ein positives Selbstwertgefühl.

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Frage nicht mehr nach dem Wert des Lebens, sondern nach dem Wert, den du deinem Leben geben kannst!

(Bo Yin Râ)

Warum fehlt nun ein Punkt bei der Beantwortung dieser Frage für mich? Nun als Selbstständige bin ich wohl Getriebene meiner eigenen latenten Unzufriedenheit und damit habe ich gelernt umzugehen. Ich strebe immer nach neuen Ideen und Möglichkeiten und schaffe das mittlerweile (meistens), ohne mich zu verrückt zu machen.

Es wäre schön, wenn Arbeit statt eines „Sterbens von Montag bis Freitag“, so die Formulierung des amerikanischen Schriftstellers und Radiomoderators Studs Terkel, wieder für mehr Menschen zu eine Berufung wird. „Eine Berufung ist die befriedigendste Form von Arbeit, weil sie ihre Erfüllung darin findet, um ihrer selbst willen getan zu werden und nicht wegen des materiellen Nutzens, den sie bringt“ (Martin Seligman, amerikanischer Psychologe).

Denkt man die Verstrickung von Beruf und Sinn im Leben weiter, so darf man sich begründet Sorgen machen, wenn immer mehr Jobs durch KI ersetzt werden. Dies und die zunehmende Alterung der Gesellschaft sind meiner Ansicht nach große sozialpolitische Themen dieser Zeit.

Lösungsansätze bzw. Bücher, die sich anlehnend mit dieser Thematik beschäftigen, habe ich unten verlinkt.

Angestiftet von diesen und anderen gesellschaftsökonomischen Entwicklungen, ist es nicht verwunderlich, dass Sinn Hochkonjunktur hat. Wir alle können in unserem Umfeld ein inflationäres Hervorschießen von Spiritualität beobachten – häufig als Geschäftsmodell. So gibt es vermehrt Yogastudios, „grüne“ Produkte, diverse Retreats, Coaching-Angebote zur „Selbstverwirklichung“ & achtsamkeitsbasierte Apps sowie Events. Wir sind eine sinnsuchende Bevölkerung, deren Sehnsucht nach Transzendenz von geschäftstüchtigen Menschen oberflächlich gestillt wird.

Was aber macht wirklich glücklich und füllt die Leere, welche so viele Menschen in sich spüren? Laut Seligman und allgemeiner Glücksforschung gehören zu einem angenehmen Leben eine befriedigende Arbeit, das Vermeiden negativer Ereignisse und Emotionen, das Leben in einer Partnerschaft und ein aufbauendes soziales Netz. Genauso wichtig sind Dankbarkeit, Vergebung und Optimismus. Kaum eine Rolle scheint den Forschungen zufolge das Anhäufen von mehr Geld oder Bildung oder das Leben in einem angenehmen Klima zu spielen. Hermann Hesse ließ sich sogar zu dieser Aussage hinreißen: „Wer Erfüllung in der Arbeit findet, wird niemals unglücklich sein“.

Für Richard Karlgaard, den Herausgeber des Wirtschaftsmagazins Forbes, ist Sinn die nächste Unternehmenswelle. Zuerst kam, in den neunziger Jahren, die Qualitätsrevolution. Es folgte das, was Karlgaard die „Billigrevolution“ nannte: Die Herstellungskosten sanken drastisch, und Menschen überall auf der Welt konnten sich ein Handy und einen Internetzugang zulegen. „Und was kommt als Nächstes?“, fragt er. „Sinn. Bedeutung. Lebenserfahrungen, die in die Tiefe gehen. Egal, welches Wort und welche Formulierung Sie verwenden, Sie müssen wissen, dass der Wunsch der Verbraucher nach diesen Werten steigt. Denken Sie an Abraham Maslow, an Viktor E. Frankl. Stellen Sie sich mit Ihrem Unternehmen darauf ein.“

Zusammenfassend hat sich der Wert des Sinns für unser (Berufs)Leben denke ich aus den vorausgegangenen Zeilen erklärt. Sinn hält uns am Leben und fungiert dabei als wichtiger Motivator für unsere Taten.

Weiterführende Bücher, die ich in diesem Bereich empfehlen kann:

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Ansonsten bin ich für Empfehlungen, fortsetzende und ergänzende Gedanken offen und dankbar.